Über „Schönheitsfehler“ und den Umgang mit ihnen

Achtung: Das hier wird ein reiner Laber-Artikel ;) Ich werde mir so einiges von der Seele schreiben, das mir in letzter Zeit zum Thema „Schönheit und Selbstbewusstsein“ so durch den Kopf gegangen ist. Und ich werde über meine eigenen Erfahrungen zum Thema Schönheitsfehler, Ästhetik und kleine Mäkel reden.

 

Ich fange mal ganz direkt mit meiner eigenen „Besonderheit“ an. Es gibt nämlich einen ganz konkreten Grund, warum ihr hier auf dem Blog noch kein richtiges Bild von mir gesehen habt… Ich habe ein Choristoma in meinem linken Auge. Einen gutartigen Tumor, der sich als kleiner weißer Hautfleck auf dem Auge zeigt. Und nein: Ich habe mich nicht zu sehr geschämt, um mich damit offen zu zeigen. Ganz im Gegenteil, ich gehe sehr selbstbewusst damit um. Es ging mir viel mehr darum, dass ich es nicht einfach unkommentiert in den Raum werfen wollte. So ein weißer Hautfleck im Auge fällt einfach auf… so wäre ein Artikel über beispielsweise Lidschatten wohl völlig in „Was ist das?“ Fragen entgleist, wenn ich Fotos von meinen Augen einfach so präsentiert hätte. Das ist einer der Gründe, warum ich das hier jetzt schreibe: Ich will euch erklären, was es damit auf sich hat, damit ich in Zukunft Fotos von meinen AMUs und ähnliches hochladen kann.

Ich lebe mit dem Choristoma seit meiner Geburt. Es ist nichts Neues für mich. Es ist weder gefährlich, noch schränkt es meine Sicht ein (außer, dass meine Hornhaut minimal verkrümmt ist). Es tut nicht weh, ich spüre es nicht, und wenn ich niemals in einen Spiegel geguckt hätte, wüsste ich gar nichts davon. Es ist einfach ein Teil von mir.

Eine der allerersten Fragen von Fremden ist immer „Kann man das nicht rausoperieren?“ – Ja, kann man. Aber ich habe mich bewusst dagegen entschieden. Es wäre erstens eine rein kosmetische Operation, die für mich absolut überflüssig ist, weil ich meinen kleinen Hautfleck schön finde. Und zweitens kann mir natürlich niemand sagen, wie es darunter aussehen würde… dafür ist das Phänomen einfach viel zu selten.

Als mich Erbse damals gefragt hat, ob ich hier auf dem Blog mitschreiben möchte, hatte ich zunächst kurz gezögert… So einen besonderen Schönheitsmakel sieht man selten in der Beauty-Blogger-Welt, in der so oft nach Perfektion gestrebt wird. Man sucht den perfekten Teint, den perfekten Lidstrich, die perfekten Augenbrauen. Man hat sich dran gewöhnt, dass jeder möglichst „schön“ sein möchte. Aber was wir schön finden, ist ja zum Glück immer noch uns selbst überlassen – und ich finde mich schön. Also habe ich die Zweifel schnell abgeschüttelt, und habe Erbse zugesagt.

Das Wort „Schönheitsmakel“ ist hier sowieso etwas deplatziert… ich sehe in meiner Besonderheit ja keinen Makel. Es könnte höchstens aus der Sicht anderer Menschen ein Makel sein. Ich habe vor kurzem erst wieder ein „Tut mir leid für dich, ich würde mit sowas nicht leben wollen“ zu hören bekommen, aber darüber kann ich nur müde lächeln. Schließlich hat jeder Mensch etwas an sich, was ihn zu etwas Besonderem macht. Warum sollte das etwas Bemitleidenswertes sein? Lege ich einer wildfremden Frau in der Bahn meine Hand auf die Schulter und gestehe mitleidig „Also mit SO großen Poren würde ich mich ja nicht wohl fühlen.“ ? Sowas ist einfach nur absurd, finde ich zumindest :D

Walt Kuhn – Girl With Mirror (1929)

Aber ich hab gut reden. Ich hatte mein ganzes Leben lang Zeit, um mich an mein Auge zu gewöhnen. Ich habe im Kindergarten schon gelernt, souverän auf die Fragen zu reagieren. Und angesprochen werde ich darauf noch heute überall… von Fremden, von Leuten in der Uni, von Ärzten, von Verkäufern… eigentlich von jedem, der mir in die Augen schaut. Ich bin es gewohnt. Und ich kann selbstbewusst damit umgehen, weil ich mich wohl fühle in meiner Haut. Viel schwieriger stelle ich es mir für Leute vor, deren Aussehen sich erst im Laufe des Lebens aus irgendeinem Grund verändert hat, vielleicht ja sogar sehr plötzlich. Ich denke da an Jugendliche, bei denen starke Akne ausbricht. Oder Menschen, die durch einen Unfall entstellt werden oder schwere sichtbare Narben davontragen. Oder Gesichtslähmungen, die die Mimik lahmlegen. Das alles habe ich in meinem Umfeld schon erlebt, und dieser Faktor der plötzlichen Veränderung hat meiner Meinung nach die Situation viel schwieriger gemacht… Man wird ins kalte Wasser geschmissen, und muss damit klar kommen. Während man selbst vielleicht noch gar nicht richtig akzeptieren kann, dass man plötzlich anders aussieht.

Da ist eigentlich auch schon der wichtigste Punkt: ein Schönheitsfehler ist nur so lange ein Problem, wie man ihn nicht an sich akzeptieren will. Sobald man sich mit ihm anfreundet, und ihn als Teil von sich sieht, kann man anfangen ganz selbstverständlich damit umzugehen. Sich für eine große Nase, einen schiefen Mund oder krause Haare schämen? PAH! Macht sie zu einem Statement. Das seid ihr! Mit allen Ecken und Kanten. Natürlich ist das schwer, wenn euer Makel etwas ist, das euch eigentlich belastet. Aber versucht eure Sichtweise zu ändern, dann kann euch auch von außen nichts verletzen.

Ihr wollt gar nicht wissen, wie oft ich mir in meiner Schulzeit dumme Sprüche anhören durfte… „Pickelauge“ war da noch das Harmloseste. Kinder sind schon grausam ;) aber gerade im Teenager-Alter wird gerne auf allem rumgehackt, was von der Norm abweicht. Aber who cares? Wenn ihr euch in eurer Haut wohlfühlt, können euch blöde Sprüche absolut kalt lassen.

Dass außerdem jeder Mensch seine eigene Vorstellung von Schönheit und Ästhetik hat, ist für euch wahrscheinlich auch nichts Neues. Es gibt kein „Wenn das oder das anders an mir wäre, wäre ich schön“ – man IST einfach schön. Und selbst wenn man sich selbst kritisch betrachtet, heißt das nicht, dass Andere das genauso sehen – vielleicht finden sie ganz im Gegenteil sogar eure Besonderheiten extrem interessant und anziehend.  Ästhetik stammt nicht ohne Grund vom altgriechischen Wort für „Wahrnehmung“ ab – was ästhetisch ist und was nicht, nimmt jeder Mensch anders wahr.

 

Ihr seid gerne eingeladen, mir in den Kommentaren noch weitere Fragen zu stellen – ihr braucht nicht schüchtern sein, ich erkläre gerne alles für euch, und ich habe vor zukünftige Fragen zu meinem Auge auf diesen Artikel hier zu lenken. Ich hoffe, meine kleine Motivations-Rede hat dem einen oder anderen von euch vielleicht sogar einen kleinen Schubser Richtung Selbstbewusstsein gegeben, falls ihr ihn gebraucht habt <3 Seid euch immer bewusst: „So bin ich. Und das ist auch gut so.“

 

 

Waschbär Ben

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44 Kommentare

  1. Ormi

    woow, das ist sehr inspirierend und spannend, und ich finde es bewundernswert, so damit umzugehen!
    ich habe dort, wo Erbse ungefähr ihr Lippenpiercing trägt, ein Muttermal. Ich finde es besonders, da sich viele dort ein Piercing stechen lassen und ich das durch das Muttermal gar nicht brauche^^

    Hab aber auch eine ganz andere Geschichte:
    Meine Mama hatte sich früher mal aus Versehen einen Nagel in die Hand gerammt, unterhalb des Daumens und trägt bis heute noch eine Narbe davon.
    Das Besondere war, das ich als Kind genau an der gleichen Stelle einen roten Punkt hatte, der leider vor einigen Jahren verschwand.
    Aber es ist erstaunlich, was Eltern an ihre Kinder weitergeben können…

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  3. Krauseline

    Großes Lob und Dankeschön für diesen Beitrag.
    Vieles davon spiegelt wider was ich mir auch schon lange denke, aber noch nie in Worte gefasst jemandem mitgeteilt habe.
    Ich selbst habe ein Neavus Flammeus /Feuermal auf der rechten Wange und ich fand schon als Kind, dass es einfach zu mir gehört und basta (da hat sich schon schnell meine Sturheit herausgebildet).
    Nach der ersten Laserbehandlung (mit dreizehn)hab ich mich geweigert nochmal hinzugehen, nicht nur weils höllisch wehgetan hat, sondern auch weil ich Angst hatte dass dadurch mit dem Mal auch ein Teil meines Charakters verschwindet, vielleicht meine Willensstärke mich gegenüber denen zu behaupten, die mein Aussehen komisch fanden und somit auch ein wenig ein Grund dafür auf mich stolz sein zu können.
    jetzt finde ich es wichtig, dass Menschen ihre „äußerlichen Makel“, sofern sie nur kosmetisch sind nicht verstecken oder sie wegmachenlassen, weil es meiner EMinung nach wichtig ist, dass die Menschen wieder lernen dass es normal ist, dass es Menschen gibt, die nicht so aussehen wie alle anderen, gleichgebügelt nach irgendeinem ganz bestimmten Schöheitsideal. Und dass sie genauso schön sein können wie andere bzw sie vllt sogar interessanter aussehen.
    Wichtig finde ich für alle Eltern oder zukünftigen Eltern, die das hier vllt lesen: natürlich versucht man sein Kind vor Hänseleien und Spott zu schützen, aber man kann auch einiges im Selbstbewusstsein der kinder zerstören, wenn man zu sehr versucht durch möglichst frühe Eingriffe irgendwetwas wegzuoperieren oder geradezurücken oder sonstwas, was die moderne Medizin so anbietet. aber beim Kind kommt nicht unbedingt gleich an, dass das zu seinem scheinbaren Besten passiert, sondern vllt eher der Gedanke: „etwas an mir stimmt so derart nicht, dass mich nicht mal meine Eltern so mögen, wie ich bin“. und das kann mehr zerstören als, ein paar hänseleien auf dem schulhof, gegen die sich das kind vllt ganz gut zu verteidigen weiß und sich damit selbst bestärken lernt.
    Wenn ich heutzutage ein kleines Kind mit Muttermal sehe, dann deute ich auf meines und sage : „oh, hat dich da auch deine Glücksfee(wahlweise auch mal Schutzengel) geküsst?“ hab schon zwei damit zum Lachen gebracht und eine Kleine hat sich andächtig an die Stirn gelangt und dann gelächelt.
    In diesem Sinne: Seid stolz auf eure kleinen euch ineressant machenden „Makel“ und erlöst jeden Tag ein paar Anstarrer von ihren Vorurteilen ;-)

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